Carmen Losmann, die schon in Work hard play hard versucht hat, den modernen Arbeitsalltag
zu dokumentieren, geht in Oeconomia ein noch schwierigeres Thema an: Wie funktioniert unsere moderne Geldwirtschaft? Was ist
der Zusammenhang zwischen Verschuldung und Wirtschaftswachstum? Schon am Anfang wird klar, dass dies kein einfaches
Unterfangen war. Denn Losmann erklärt, dass viele Interviewanfragen abgelehnt worden sind oder Gespräche nach dem Interview
nicht als Firmenmeinung, sondern als private Aussagen gewertet werden dürfen. Insofern ist es ein Wunder, dass Losmann
überhaupt knapp 90 Minuten zusammenbekommen hat.
Nichtsdestotrotz sind die Fragen nicht unerheblich, denn sie beschäftigen auch den Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank.
Wie in der deutschen und englischen Originalversion ohne Untertitel auch deutlich wird, sind dies Fragen, die an Axiomen des
Kapitalismus rütteln. Außerdem interessieren sie den gemeinen Betriebswirtschaftler sowieso nicht. Geld ist einfach da und
Gewinne müssen erzielt werden. Dass ein Großteil des Geldes über Kreditvergaben kreiert wird und diese nur positiv beschieden
werden, wenn eine Möglichkeit besteht, daraus über Zinsen mehr Geld zu machen, interessiert nicht. Der Volkswirtschaftler
abstrahiert sowieso so weit, bis seine Modelle mit der Realität wenig zu tun haben, er sie aber rechnen kann.
Wie auch schon in System Error beschäftigt sich Carmen Losmann auch mit der Frage unendlichen
Wachstums. Rein gendertechnisch ist es interessant, dass mehrheitlich Männer die Auffassung vertreten, dass Wachstum
notwendig ist. Ich frage mich hingegen, ob und wann es wirklich unwichtig war, einen Gewinn zu erwirtschaften. Leider
beschäftigt sich Oeconomia gar nicht mit der Frage, inwieweit Aktien auch Geld schöpfen. Denn die Gewinnzuwächse einer
Apple-Aktie betreffen ja doch nur einige ausgewählte Transaktionen. Wer die Aktie hält und nicht auf den Markt bringt, hat
den Geldwert nur virtuell. Dennoch gibt es von mir 12 von gezahlten 9 Euro.