Ich bin einigermaßen überrascht, dass es bei mir fast drei Filme gedauert hat, bis ich verstanden habe, welcher
Art Regime die theokratische Republik Iran angehört. Angefangen hat es mit
Offside, dann kam Persepolis. The Green
Wave ist ein deutscher Dokumentarfilm, der in Englisch, Farsi und Deutsch läuft, wobei die Untertitel zum Teil
recht schwer zu lesen sind. Das liegt nur zum Teil am mangelnden Kontrast, eher liegt es daran, dass sie recht
klein geschrieben sind.
The Green Wave befasst sich mit den Geschehnissen rund um die Präsidentschaftswahl 2009, bei der Mahmud
Ahmadineschad gewonnen hat. Im Vorfeld dieser Wahlen kam es zu spontanen Aufmärschen in Millionenstärke in
Teheran. Die meisten Demonstranten trugen grüne Bänder oder grüne Kleidungstücke und unterstützten den
Oppositionskandidaten Mir Hossein Mussawi. Das Bildmaterial für The Green Wave speist sich hauptsächlich aus
spontan aufgenommenem Bildmaterial, Interviews mit verschiedenen Augenzeugen, sowie mit der
Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi als auch mit Payam Akhavan, der am Internationalen Strafgerichtshof tätig
gewesen ist. Vorgelesene Abschnitte aus Webblogs sind mit Zeichnungen unterlegt, deren Typus stark an
Waltz with Bashir erinnert. Ohne diese Zeichnungen wäre der Inhalt wahrscheinlich gar
nicht erträglich gewesen.
Angesichts der Bilder aus The Green Wave grenzt es fast schon an ein Wunder, dass die Revolutionen in Tunesien
und Ägypten so friedlich verlaufen sind. Dort scheint es so, als ob die Mächtigen erst einmal eingesehen hätten,
dass ihre Zeit abgelaufen war. In Libyen kann man momentan das Gegenteil erleben. Es ist noch nicht absehbar, mit
welchen Mitteln sich das Regime an sein Fortbestehen klammert. Auf jeden Fall ist die Aufforderung, auf das eigene
Volk zu schießen, äußerst bedenklich. Und genau dies ist 2009 im Iran passiert:
Die Präsidentschaftswahlen sind massiv gefälscht worden, was man unter anderem daran belegen kann, dass in 50
Städten mehr Stimmen abgeben worden sind, als es überhaupt Einwohner gibt. Nur so kam es dazu, dass Ahmadineschad
gewinnen konnte. Denn nach den Gerüchten sah es so aus, als ob Mussawi gewonnen hätte. Auch der
Parlamentspräsident Ali Laridschani hatte Mussawi schon gratuliert. Danach sind dann Milizen durch Teheran
gezogen, die sich gegen jeden gewandt haben, der fragte, wo seine Stimme für Mussawi geblieben sei. Diese Milizen
haben wahllos in die Menge geschossen und auch vollkommen Unbeteiligte niedergeprügelt oder verhaftet. Eine
Verhaftung bedeutet auch, dass man von den Milizen gefoltert würde. Aufgrund dieser Umstände haben die meisten
Interviewten auch mittlerweile den Iran verlassen.
Ich hatte bislang nicht verstanden, warum die oben genannten iranischen Filme eine so bedrückende Stimmung haben.
Nach The Green Wave ist es mir klar geworden. Es liegt daran, dass man niemandem trauen kann. Jeder Fremde, der
einen anspricht, kann eine Gefahr für das eigene Leben bedeuten. Die von Staatsgewalt angewandten Mittel lassen
auch jede Art von Kampfkunst blass aussehen. Man kann nur noch hoffen, dass das es einem das Konditionstraining
erlaubt, schnell genug wegzulaufen. Gegen die Schlägertrupps lässt sich nicht viel ausrichten. Deswegen ist auch
der Satz so treffend, den ein Blogger nach der Entlassung aus dem Gefängnis ausspricht: „Als ich das Gefängnis
verließ, wurde mir auf ein Mal klar, dass ich die kleine Zelle nur mit einer viel größeren getauscht hatte. Die
größere heißt Iran.“
Ich wünsche The Green Wave viele Zuschauer, auch wenn der Film nur eine Woche in Düsseldorf laufen sollte. Da
Offside und Persepolis jeweils 10 Euro bekommen hatten, vergebe ich für The Green Wave diesmal 20 Euro für
gezahlte 7 Euro.