Shortbus

Kameraflüge durch Pappmachélandschaften gehören zu den absoluten Highlights dieses Kinoherbstes. Schon bei The Science of Sleep konnte man sich daran ergötzen. Shortbus wartet mit noch einer genialeren Version eines Pappmaché-New Yorks auf, die einige Trickfilmanimateure vor Neid erblassen ließe.

Auch so ist Shortbus recht unkonventionell. Es erzählt die Geschichte eines schwulen Pärchens, das bei der Paartherapeutin Sophia Rat für seine Beziehung sucht. Obschon Sophia als eine der besten Paartherapeutinnen gilt, leidet sie doch unter den Folgen ihrer strengen kanadisch-chinesischen Erziehung. Was im Anleitung zur sexuellen Unzufriedenheit noch als Ergebnis einer Gaußschen Normalverteilung erklärt wurde, verschafft Sophia ziemliches Unbehagen. Auf Anraten der beiden Jamies (ihrer Patienten) beschließt sie, den Nachtclub Shortbus zu besuchen, um dieses Problem zu lösen. Dort erfährt sie einiges über zwischenmenschliche Probleme, aber findet zuerst keine Hilfe. Auch die in A Snake of June angewandten Techniken helfen nicht weiter.

Shortbus kriegt relativ gut die Kurve zwischen Sexualität und Handlung. Für mich beschreibt Shortbus letztendlich die Suche von Menschen nach Geborgenheit, auch wenn einiges an Gefühls- und anderen Verwirrungen dazwischen kommt. Und damit meine ich nicht nur in fremden Besitz gelangte Fernbedienungen. Auf jeden Fall wissen wir jetzt, was den großen Stromausfall vor zwei, drei Jahren im Osten der USA und Kanadas ausgelöst hat.

Bei Shortbus musste ich auch ein bisschen an die Musik von Charles Ives (1874-1954) denken. Ives ist ein amerikanischer Komponist, der in seinen schnellen Konzertsätzen zum Teil so schreibt, dass er die Musiker zwingt, wie Kraut und Rüben zu spielen. Von Tonalität ist dann nichts mehr zu merken. Die langsameren Sätze haben durchaus noch etwas Tonales. Shortbus startet mit so einem schnellen Satz und verlangsamt sich dann in der zweiten Hälfte, um noch einmal mit einem furiosen Finale zu enden: Es tritt eine Marchingband auf, ähnlich wie in einigen Stücken Ives’, in denen am Ende auch eine Band mit guggemusikähnlichen Tönen parodiert wird.

Für Shortbus gibt es 6,50 von gezahlten 6,50 Euro. Da freut sich nicht nur die GEZ.

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